Auch beim diesjährigen 35. Braunschweig International Film Festival (BIFF) arbeiten das Staatstheater Braunschweig und der BIFF-Veranstalter Internationales Filmfest Braunschweig e. V. eng zusammen. Neben dem bewährten, gemeinsamen Eröffnungsfilmkonzert eint die beiden Akteure vor allem auch eines: die Bedeutung als dritter Ort.
Wenn Anfang November zum Start des Braunschweig International Film Festival (BIFF) wieder der gelbe Teppich ausgerollt wird, heißt es nach einer rein digitalen Veranstaltung im vergangenen Jahr: Sich endlich wieder vor Ort begegnen – gemeinsam über Filme austauschen, fachsimpeln, ins Gespräch kommen. „Die digitalen Angebote im vergangenen Jahr haben sich bewährt“, skizziert Thorsten Rinke, Vorstandsvorsitzender des Filmfest-Vereins. Dennoch: „Ein Film gehört auf die große Leinwand.“
„Unser Herzstück ist das Live-Erlebnis“, bekräftigt auch Dagmar Schlingmann, Generalintendantin des Staatstheaters Braunschweig. „Das Digitale ist zweifellos bereichernd, wenn wir es als Kunstmittel in einer Aufführung einsetzen. Der Kern wird jedoch immer das Erlebnis vor Ort bleiben, die Interaktion zwischen Zuschauer und Künstler live – das ist das Einzigartige am Theater.“ Für ein Filmfestival könne die hybride Form indes höchst interessant sein, etwa um neue Zielgruppen zu adressieren und Menschen außerhalb der Region niedrigschwellig zu erreichen.
„Der dramaturgisch wichtigste Start"
Am Montag, den 01. November, werden Braunschweig International Film Festival und Staatstheater Braunschweig wieder zum gemeinsamen Eröffnungsfilmkonzert laden. Gezeigt wird der expressionistische Klassiker „Der Golem, wie er in die Welt kam“ (1920) in der neuen Restaurierung des Filmmuseums München – auf der großen Leinwand, und es erklingt die Uraufführung der lange als verschollen geltenden Premierenmusik in großer symphonischer Orchesterbesetzung, gespielt vom Staatsorchester Braunschweig.
Generalintendantin Schlingmann dazu: „Es ist ein Erlebnis für das Publikum, das Orchester live zu sehen, wie es eine Filmmusik spielt, und dazu den Film zu sehen. Das Filmkonzert ist eine gewachsene Tradition in dieser Stadt, die es schon seit vielen Jahren gibt und für die sich unser Orchesterdirektor Martin Weller ganz wesentlich und engagiert einsetzt.“ Auch Filmfest-Vorstandsmitglied Clemens Williges blickt optimistisch auf die Eröffnung: „Wir freuen uns außerordentlich, in diesem Jahr wieder gemeinsam mit dem Staatstheater Braunschweig das Braunschweig International Film Festival zu eröffnen. Die Anfänge unserer Kooperation reichen gar bis in das Jahr 2002 zurück.“
„Der Golem, wie er in die Welt kam“ von Regisseur und Hauptdarsteller Paul Wegener ist eines der zentralen Werke des Weimarer Kinos. Die Premierenmusik des Komponisten Dr. Hans Landsberger galt Jahrzehnte als verschollen. Das BIFF bringt in Kooperation mit dem Staatstheater Braunschweig und dem Filmmuseum München die Originalmusik zurück in die Öffentlichkeit. „ Das Staatsorchester Braunschweig wird diese Filmmusik für große symphonische Besetzung zum ersten Mal seit über 90 Jahren erklingen lassen“, so Williges. Orchesterdirektor Weller fügt hinzu: „Die diesjährige Eröffnung ist dramaturgisch der wichtigste Start, den wir je hatten.“
Golem-Sonderveranstaltung geplant
Einen Tag nach dem Eröffnungsfilmkonzert steht in der Reihe der „BIFF Talks“ am 02. November um 18 Uhr im Roten Saal des Residenzschlosses die Sonderveranstaltung „Der Golem – Mythos & Musik“ auf dem Plan. Stefan Drößler, Direktor des Filmmuseums München, spricht anhand zahlreicher Bild- und Filmbeispiele über den Mythos des Golems in Kino und Populärkultur. Höhepunkt ist die Aufführung der lange verschollenen Erstverfilmung „Der Golem“ aus dem Jahr 1915. Im Anschluss stellt Richard Siedhoff, Komponist und Pianist aus Weimar, Hans Landsbergers Originalmusik zu „Der Golem, wie er in die Welt kam“ (1920) vor – und spricht über Leben und Werk des vergessenen Komponisten.
Die Bedeutung kollektiver Momente
„Ich glaube, dass auch beim Kino der Austausch und das kollektive Erleben einfach nicht zu ersetzen sind. Es ist einfach etwas anderes, schöneres, eindrücklicheres in der Gruppe zu sitzen und zu merken, dass gelacht und reagiert wird, und man sich hinterher über den Film austauschen kann, weil alle das Gleiche gesehen haben“, erläutert Schlingmann. „Es ist einfach so wichtig, dass wir diese kollektiven Momente haben, in denen auch unterschiedliche Leute generationenübergreifend zusammenkommen.“ Es gebe nicht viele Orte in unserer Gesellschaft, wo genau das möglich ist. „Darauf sollten wir nicht verzichten.“ Auch Filmfest-Vorsitzender Rinke betont, dass „der Präsenz-Teil des Festivals im Vordergrund steht“. Er bekräftigt: „Nach der Ausgabe im vergangenen Jahr holen wir das Festival wieder zurück in die Kinos, in die hiesigen Spielstätten und damit auch in die hiesige Stadtgesellschaft.“
Weitere Informationen zum Festival gibt es auf www.filmfest-braunschweig.de.
ECKDATEN
Der Golem, wie er in die Welt kam | Eröffnungsfilmkonzert
Montag, 01. November, 19:30 Uhr, Großes Haus des Staatstheater Braunschweig
Deutschland 1920 / 91 min / viragiert / stumm
Regie: Paul Wegener | Cast: Paul Wegener, Albert Steinrück | Komposition: Hans Landsberger | Bearbeitung: Richard Siedhoff | Aufführung: Staatsorchester Braunschweig | Dirigat: Burkhard Götze
Einritt: 24 Euro
Handlung von „Der Golem, wie er in die Welt kam“
Das Prager Ghetto im 16. Jahrhundert. Um seine Gemeinschaft zu schützen, erschafft Rabbi Löw eine mächtige Lehmfigur, den Golem, und haucht ihr mit magischen Kräften Leben ein. Doch als Löws Assistent diesen künstlichen Menschen für eigene Zwecke missbrauchen will, läuft der Golem Amok und setzt die Stadt in Flammen. Wer kann den Golem stoppen?
BIFF-Talks | Der Golem – Mythos & Musik
Dienstag, 02. November, 18:00 Uhr, Roter Saal im Braunschweiger Residenzschloss
Stefan Drößler, Direktor des Filmmuseums München, spricht anhand zahlreicher Bild- und Filmbeispiele über den Mythos des Golems in Kino und Populärkultur. Zudem: Vorführung der lange verschollenen Erstaufführung von „Der Golem“ (1915), anschl. Vorstellung der Originalmusik zu „Der Golem, wie er in die Welt kam“ (1920) durch Richard Siedhoff)
Eintritt: frei