Mit großzügiger Unterstützung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur, der Kulturstiftung der Länder und der Ernst von Siemens Kunststiftung konnte das 1907 entstandene Werk erworben werden. Das Aquarell zeigt einen Bauern mit Sense und eine Bäuerin mit Rechen bei der Getreideernte. Entstanden ist es auf der Ostseeinsel Alsen, auf der Emil und Ada Nolde ihre Sommer verbrachten.
Unter den Künstlern, die Gründungsdirektor Walter Müller Wulckow in der "Modernen Galerie" im Oldenburger Schloss vereinte, zählte Emil Nolde (1867-1956) als Repräsentant eines norddeutschen Expressionismus zu den wichtigsten. Sämtliche Gemälde und Aquarelle des Künstlers, die bis 1933 für Oldenburg erworben wurden, sind durch die Aktion "Entartete Kunst" verloren gegangen. Lediglich drei druckgrafische Blätter Noldes aus der Zeit des Aufbruchs des Landesmuseums in die Moderne sind heute noch in der Sammlung vorhanden.
Das Schicksal des nun zurückgekehrten Aquarells steht stellvertretend für das Schicksal vieler Kunstwerke während der NS-Zeit: Vor einhundert Jahren, im Mai 1923, hat das Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg Emil Noldes "Ernteszene" (1907) für seine Sammlung erworben.
Am 22. August 1937 wurde es im Rahmen der NS-Aktion "Entartete Kunst" beschlagnahmt und mit zahlreichen weiteren beschlagnahmten Werken durch das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda eingelagert. Im Dezember 1940 erwirbt der Hamburger Kunsthändler Hildebrand Gurlitt das Nolde-Aquarell.
Im Juni 2023 tauchte das Werk schließlich im Katalog der Auktion 317 "Moderne Kunst" von Karl & Faber, München, wieder auf und konnte schließlich eindeutig als das einst in Oldenburg beschlagnahmte Blatt identifiziert werden: Glücklicherweise ist die "Ernteszene" unten links im Bild von Hand mit "Landesmuseum Oldenburg" bezeichnet und stimmt auch in den Maßen exakt mit den im Rahmen der Aktion "Entartete Kunst" vom Landesmuseum gemachten Angaben überein.
Von den 103 im Jahr 1937 beschlagnahmten Kunstwerken aus der Sammlung des Landesmuseums konnten somit bislang sechs Werke zurückerworben werden. "Der Rückerwerb von 1937 beschlagnahmten Werken ist ein wichtiger Teil unseres Sammlungskonzepts", so Museumsdirektor Prof. Dr. Rainer Stamm. "Mit dem Ankauf des Aquarells kehrt ein bedeutendes Werk Noldes in unseren Bestand zurück, das seinerzeit den Aufbruch des Museums in die Moderne symbolisierte. Ich bin froh und allen Beteiligten dankbar, dass es gelungen ist, mit dem Rückerwerb im 100. Jubiläumsjahr an diesen bedeutungsvollen Aufbruch zu erinnern."
Anlässlich der Rückerwerbung wird das Werk Emil Noldes ab dem 24. November 2023 zusammen mit den anderen 1937 beschlagnahmten und inzwischen wiedererlangten Werken im Prinzenpalais präsentiert. Die Übergabe erfolgt durch die Vertreter der Zuwender.
"Die Rückkehr eines verloren geglaubten Kunstwerks ist immer ein bewegendes Ereignis. Das gilt besonders für solche Werke, deren Verschwinden Folge der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft war", so Falko Mahrs, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur. "Emil Nolde steht als Künstler für die Ambivalenz, mit der wir heute den Blick auf viele Zeitgenossen des großen Zivilisationsbruchs richten. Umso wichtiger, sich mit seiner Kunst auseinander zu setzten. Das neue Werk wird diese lohnende Auseinandersetzung sehr bereichern."
Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder: ,,Zum 100. Jubiläum der Erwerbung des Aquarells
,Ernteszene' kehrt es nun an seinen historischen Ort zurück. Ich treue mich, dass das Werk nun für die Öffentlichkeit erhalten bleibt und die Kulturstiftung der Länder das Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg in seiner Sammlungspolitik unterstützen konnte, die ursprüngliche Sammlung moderner Kunst, die das Museum seit seiner Gründung auszeichnet, wieder zusammenzutragen."
„Der Rückerwerb von Emil Noldes Aquarell ,Ernteszene', das während der Aktion ,Entartete Kunst' beschlagnahmt wurde, ist für das Landesmuseum Kunst & Kultur Oldenburg ein veritabler Glücksfall. Jedes Mal, wenn es gelingt, ein Werk, das von den Nationalsozialisten konfisziert wurde, an seinen ursprünglichen Ausstellungsort zurückzubringen, siegt die Kunst über die Barbarei", freut sich Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung.
„Wir freuen uns sehr, dass wir dem Landesmuseum Oldenburg bei dem (erneuten) Erwerb dieses schönen Aquarells zur Seite stehen konnten. Die Experten von KARL & FABER Kunstauktionen konnten dem Einlieferer überzeugend vermitteln, dass das Werk ins Landesmuseum Oldenburg gehört, wo es ursprünglich hing. So stimmte er gerne zu, es aus der Auktion zu nehmen und in einem Private Sale direkt an das Museum zu veräußern", so Sheila Scott, Geschäftsführerin bei KARL & FABER Kunstauktionen. ,,KARL & FABER kommt als Kunstaktionshaus immer wieder mit Werken in Kontakt, die von den Nationalsozialisten als ,entartet' beschlagnahmt wurden. Wir sind sehr froh, wenn wir dann helfen können, dass Werke ihren Weg zurück in ihre ursprüngliche Sammlung finden."