Niedersachsen ist »Agrarland Nummer 1« in Deutschland. Die Landwirtschaft hat das Leben entscheidend geprägt, und noch heute wird die größte Fläche des Landes für Ackerbau und Viehzucht genutzt. Ihre Ursprünge reichen bereits Tausende von Jahren zurück und waren ein Erfolgsmodell. Wann oder wie die bäuerliche Lebensweise begann und welche großen Schwierigkeiten mit ihrer Etablierung verbunden waren, ist jedoch weitgehend in Vergessenheit geraten. Die Ausstellung im Landesmuseum Hannover, die in Kooperation mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege stattfindet, geht diesen Spuren nach und zeichnet erstmals ein komplexes Bild der Sesshaftwerdung unserer Vorfahren in Nordeuropa.
In der Ausstellung "Die Erfindung der Götter. Steinzeit im Norden" präsentiert das Landesmuseum Hannover die Annäherung zwischen »alteingesessenen« Wildbeutern und »zugezogenen« Siedlern als komplexen, oft konfliktgeladenen Prozess in all seinen Facetten. Einzigartige, teils noch nie gezeigte archäologische Funde aus Niedersachsen und dem nördlichen Europa lassen verschwundene Kulturen wieder auferstehen.
Vor mehr als 12.000 Jahren legte der Mensch den Grundstein für die heutige Welt: Er wandte sich von der nomadischen Lebensweise der Jäger-Sammler ab und wurde zum sesshaften Bauern. Erstmals domestizierte er Tiere, kultivierte Pflanzen und baute Häuser. Dieser Wandel schuf die Voraussetzung für technische Innovationen und damit auch das moderne Leben der Menschen heute.
Die bäuerliche Lebensweise brachte ein vollkommen verändertes Verhältnis zur Natur mit sich: Der Mensch griff durch Rodung und Ackerbau stärker in die Landschaft ein und war gleichzeitig in höherem Maße von Wetter und Klima abhängig. Beides musste in eine passende Ideologie überführt werden: Eine neue Religion entstand. In ihrem Zentrum standen allmächtige Wesen, deren Anbetung garantieren sollte, dass die Nahrung auch im nächsten Jahr nicht ausblieb.
Die Landwirtschaft bewirkte einen gewaltigen Bevölkerungsanstieg und daraus resultierende Migrationsbewegungen. So kamen vor rund 7.500 Jahren die ersten Bauern ins heutige Niedersachsen. Mit ihrer völlig neuen Lebensweise stießen sie bei den dort als Jäger und Sammler lebenden »Ureinwohnern« auf Ablehnung. Denn die Landwirtschaft brachte nicht nur Vorteile mit sich: Sie bedeutete auch mehr Arbeit, Krankheiten, weniger Freiheit und höhere Abhängigkeiten von Naturgewalten. Zwischen Harz und Heide entstand dadurch eine einzigartige Kontaktzone, in der zwei gänzlich unterschiedliche Gesellschaften aufeinandertrafen und sich parallel entwickelten. Handel und Heirat führten schließlich zu einer Annäherung der beiden Gruppen – ein Prozess, der 1.500 Jahre dauerte.
Die Ausstellung profitiert von der engen Zusammenarbeit mit der Eurasien Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts, dem Excellence-Cluster ROOTS der Universität Kiel und dem Groningen Institute for Archaeology.
Ermöglicht wurde die Ausstellung durch die Unterstützung seitens der Kulturstiftung der Länder und der Stiftung Niedersachsen.
Zitate
»Die Ausstellung zeigt jene Phase der niedersächsischen Geschichte, in der komplett unterschiedliche Gesellschaftsformen nebeneinander in Niedersachsen existierten: Bäuerliche Kulturen, die zuerst im Süden unseres Landes nachgewiesen wurden und sich langsam nach Norden ausbreiteten, und im Norden die alt eingesessene Bevölkerung, die die Ressourcen ihrer Umwelt als Sammler und Jäger nutzten. Das Niedersächsische Landesmuseum Hannover zeigt einzigartige Originale jener versunkenen Kulturen und erläutert mit ihrer Hilfe, wie sich die sozialen Strukturen wandelten. ‚Die Erfindung der Götter‘ nimmt Besucherinnen und Besucher mit auf eine Expedition in unsere Vorzeit, die uns die Wurzeln unseres heutigen Lebens besser verstehen lässt. Das Niedersächsische Landesmuseum Hannover kommt damit seinen Aufgaben als Ort für innovative Forschung und ansprechender Vermittlung in ausgezeichneter Form nach.«
Björn Thümler, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur
»Ohne die Einwanderung der bäuerlichen Gesellschaft aus dem Süden, ohne die Neolithisierung würden wir vermutlich heute nicht in Städten leben, hätten weder die Schrift noch das Rad erfunden, würden aber auch nicht die Probleme der Überbevölkerung oder globaler Pandemien kennen. Die Ausstellung zeigt damit par excellence, wie Migration Innovation und Veränderung bedeutet – vor 7.500 Jahren ebenso wie heute.«
Prof. Dr. Katja Lembke, Direktorin des Landesmuseums Hannover
»Die Kulturstiftung der Länder fördert im Auftrag der 16 Länder Ausstellungen in ganz Deutschland, wenn diese von der eigenen Sammlung ausgehen und regional verankert sind, und zugleich internationale Bedeutung haben. ‚Die Erfindung der Götter‘ erzählt niedersächsische Landesgeschichte anhand zahlreicher neuer archäologischer Funde und Studien aus Norddeutschland und zieht von hier einen weiten Bogen zur Migrations-, Religions-, Technik- und Kulturgeschichte Niedersachsens und des Nahen Ostens. Ich bin sehr gespannt auf diese Ausstellung und freue mich, dass wir zu ihrem Gelingen beitragen konnten.«
Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder
»Wissenschaft und Forschung legen die Basis, aber Vermittlung mit zielgruppenorientierten Methoden schafft Mehrwerte für die breite Öffentlichkeit und ermöglicht es Kultureinrichtungen, ihren gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen.«
Lavinia Francke, Generalsekretärin der Stiftung Niedersachsen
»Es freut mich sehr, dass es uns gemeinsam gelungen ist, die Forschung zu diesem Schlüsselfundplatz der Steinzeit in Niedersachsen entscheidend voranzubringen und die Ergebnisse nun im Landesmuseum in einem internationalen Rahmen so eindrucksvoll präsentiert werden.«
Prof. Dr. Thomas Terberger, Referent für Jägerische Archologie im Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege
»In der Steinzeit wurden die Weichen für unser modernes Leben gestellt – mit der wichtigsten Erfindung der Menschheit: der Landwirtschaft. Für uns liegen die ökonomischen Vorteile auf der Hand – doch in der Steinzeit bedurfte es eine neue Religion um Ackerbau und Viehzucht zu einer Erfolgsgeschichte im Norden zu machen.«
PD Dr. Florian Klimscha, Kurator im Landesmuseum Hannover
Informationen zur Ausstellung
Werke in der Ausstellung
Objekte gesamt: 488
Leihgaben: 358
Leihgeber: 25
Der Begleitband zur Ausstellung ist im Michael Imhof Verlag erschienen und kann im Museumsshop für 29,90 € erworben werden. Im Buchhandel kostet der Katalog 39,95 €.
Interessierte Besucher*innen können sich über das neue DigiTell (www.landesmuseum-hannover.de/welten/digital/goetter/) des Landesmuseums Hannover umfassend und spielerisch online über Inhalte rund um die Ausstellung informieren.
Zur Ausstellung ist ein MediaGuide in Form eines digitalen Rundgangs verfügbar, für den am Museumsshop kostenlos Geräte ausgeliehen werden können oder der mittels des eigenen mobilen Endgerätes genutzt werden kann.
Begleitprogramm (Auszug)
Zur Ausstellung liegt ein umfangreiches Begleitprogramm mit Führungen, Workshops und Vorträgen vor. Das komplette Programm können Sie unserer Homepage oder dem aktuellen Quartalsprogramm entnehmen.
Vorträge
»Der Norden ist nicht unbewohnt«
14.7. | 18:30 Uhr
Ergebnisse der Feuchtböden- und Moorarchäologie in Niedersachsen
Dr. Marion Heumüller, Referat für Moorarchäologie, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege | Mit Anmeldung | Kostenlos
»Aus dem Osten viel Neues«
11.8. | 18:30 Uhr
Die Megasites der Tripolje-Kultur und ihre Fernbeziehungen
Dr. Regina Uhl, Eurasien Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts | Mit Anmeldung | Kostenlos
Workshops
»Die Götter im Fokus«
29.6. | 15:00-17:00 Uhr
In den Vorträgen und Workshops werden ausgewählte Aspekte der Sonderausstellung von international ausgewiesenen Expert*innen vertieft und anhand neuester Forschungen allgemeinverständlich dargelegt.
Treffen im Museumsfoyer | Mit Anmeldung | Sonderausstellungseintritt
Eintrittspreise
Sonderausstellung »Die Erfindung der Götter«
10 € | Ermäßigt 8 € | Familien 20 €
inklusive Sammlungen
Sonderausstellungen Kombi-Ticket
»Im Freien« und »Die Erfindung der Götter«
15 € | Ermäßigt 12 € | Familien 30 €
inklusive Sammlungen